Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf zugunsten kürzerer Nutzungsdauer

Inhaltsverzeichnis:

Urteil des FG Düsseldorf vom 16.08.2023

Vermieter punkten doppelt vor dem Finanzgericht: Erhöhung der Abschreibung durch Kaufpreisaufteilung und Erhöhung des AfA-Satzes durch Nachweis kürzerer Nutzungsdauer 

Das Finanzgericht Düsseldorf hat zugunsten eines Ehepaars als Eigentümer eines Mehrfamilienhauses geurteilt. Streitig waren die Nutzungsdauer des Objekts sowie die Kaufpreisaufteilung. Auf Basis der Berechnung nach BMF-Arbeitshilfe war der Gebäudewertanteil so niedrig, dass das Ehepaar die 15-Prozent-Grenze für anschaffungsnahe Herstellungskosten überschritt. Auch dies konnte mit demselben Gutachten widerlegt werden.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Geklagt hat ein gemeinsam veranlagtes Ehepaar, das Eigentümer eines Mehrfamilienhauses ist. Das Finanzamt hat Erhaltungsaufwendungen als anschaffungsnahe Aufwendungen eingestuft. Letztere können nicht sofort als Werbungskosten abgesetzt werden, sondern müssen als AfA abgeschrieben werden.
  • Eine vom Gericht beauftragte öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige kam bei der Kaufpreisaufteilung zu ganz ähnlichen Werten, wie die vorherigen Gutachter. Zudem ermittelte sie eine tatsächlich kürzere Restnutzungsdauer von 45 Jahren.
  • Das Gericht gab dem Ehepaar in allen wesentlichen Punkten recht. Die AfA-Bemessungsgrundlage wurde in allen strittigen Jahren wieder erhöht und die Nutzungsdauer verringert, sodass sich für das Ehepaar erhebliche Steuerersparnisse ergaben. Das Gericht stellte in dem Zusammenhang erneut fest, dass die Restnutzungsdauer entgegen des BMF-Schreibens vom 22.02.2023 sehr wohl nach den Modellansätzen der ImmoWertV ermittelt werden kann.

Vor dem Finanzgericht Düsseldorf hat ein Ehepaar geklagt, das Eigentümerin eines vermieteten Mehrfamilienhauses ist. Streitig war einerseits die Aufteilung des Kaufpreises zur Bemessung der Absetzung für Abnutzung (AfA). Zudem waren sich die steuerlich gemeinsam veranlagten Ehepartner sowie das Finanzamt nicht einig darüber, ob die nach dem Kauf entstandenen Aufwendungen sofort abzugsfähiger Erhaltungsaufwand oder langfristig abschreibbare Anschaffungskosten sind.

Im Laufe des Verfahrens wurden sowohl im Auftrag der Kläger als auch im Auftrag des Gerichts Gutachten erstellt. Dabei stellt sich heraus, dass die Restnutzungsdauer des Mehrfamilienhauses bei lediglich 45 Jahren liegt. Das Gericht stellte in dem Zusammenhang erneut fest, dass die Restnutzungsdauer entgegen des BMF-Schreibens vom 22.02.2023 sehr wohl nach den Modellansätzen der ImmoWertV ermittelt werden kann.

Die Ausgangslage

Das Ehepaar erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 8. Juli 2012 ein Grundstück, welches mit einem Gebäude aus dem Baujahr 1961 bebaut ist. Das Mehrfamilienhaus wird für fremde Wohnzwecke genutzt. Der Kaufpreis betrug 395.000 Euro. Die Anschaffungsnebenkosten beliefen sich auf 37.100,43 Euro. Nutzen und Lasten an dem Objekt gingen im Juli 2012 auf die Kläger über.

Steuererklärung 2012: Kaufpreis-Aufteilung 70/30

In der Steuererklärung für das Streitjahr 2012 machten die Kläger eine Gebäudeabschreibung nach dem linearen AfA-Satz in Höhe von 2,0 Prozent geltend.

Bei der Kaufpreisaufteilung gingen sie von einem Gebäudeanteil von 70,27 Prozent aus. Für die Ermittlung des Gebäudewerts setzen sie den Bodenrichtwert ins Verhältnis zu dem gezahlten Kaufpreis von 395.000 Euro. So ermittelten sie einen Anteil von 29,73 Prozent, der auf den Grund und Boden entfällt.

Des Weiteren wurde in der Steuererklärung ein sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 52.191,00 Euro brutto angesetzt.  Die Steuerfestsetzung 2012 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Abgabenordnung – AO).

In den folgenden Steuererklärungen für 2013 und 2014 wurden weitere Erhaltungsaufwendungen geltend gemacht.

Finanzamt stuft Erhaltungsaufwand als anschaffungsnahen Aufwand ein

Das Finanzamt war der Auffassung, dass es sich bei den geltend gemachten Erhaltungsaufwendungen für die Streitjahre 2012 bis 2014 um anschaffungsnahen Aufwand im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Einkommensteuergesetz (EStG) handele. Dieser ist den Herstellungskosten des Gebäudes zuzurechnen und kann nicht direkt als Werbungskosten abgesetzt werden, sondern erhöht die Bemessungsgrundlage für die Abschreibung.

2016 erließ das Finanzamt für das Jahr 2012 gestützt auf § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) einen entsprechend geänderten Steuerbescheid. Darin erkannte es den Erhaltungsaufwand in Höhe von 52.191 Euro nicht mehr als Werbungskosten an und erhöhte stattdessen die Bemessungsgrundlage für die AfA.

Auch die Erhaltungsaufwendungen für 2013 und 2014 wurden nicht als sofort abzugsfähige Aufwendungen anerkannt, sondern erhöhten die Bemessungsgrundlage für die Abschreibung des Gebäudes.

Einspruch gegen Steuerbescheid mit Hinweis auf 15-Prozent-Grenze

Gegen den Bescheid von 2016 legte das Ehepaar Einspruch ein. Dieser wurde damit begründet, dass die 15-Prozent-Grenze durch die getätigten Erhaltungsaufwendungen nicht überschritten wurde.

Während des Einspruchsverfahrens gaben die Kläger beim Gutachterausschuss für Grundstückswerte ein Gutachten über den Verkehrswert (Marktwert) im Sinne von § 194 Baugesetzbuch in Auftrag. Laut Einschätzung der Sachverständigen betrug der im Ertragswertverfahren ermittelte Gesamtwert der Immobilie 380.000 Euro, wovon 117.450 Euro (= 30,83 %) auf den Grund und Boden und der Rest (= 69,17 %) auf das Gebäude entfielen.

Somit wiesen die Kläger darauf hin, dass die 15-Prozent-Grenze unter Bezugnahme des Gutachtens bei 44.832,58 EUR (432.100,43 Euro * 69,17 % * 15 %) liege und nicht überschritten werde.

Das Finanzamt wies den Einspruch im August 2018 als unbegründet zurück. Die 15-Prozent-Grenze betrage – wie von den Klägern zuletzt selbst vorgetragen – 44.832,58 Euro und sei überschritten.

Klage gegen die Einspruchsentscheidung

Noch im selben Monat haben die Eigentümer gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts Klage erhoben. Die Klage soll nicht nur klären, ob die entstandenen Kosten sofort abzugsfähige Werbungskosten oder langfristig abzuschreibende Anschaffungskosten sind. Auch der im Gutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte ermittelte und bislang angesetzte Gebäudewert sei zu korrigieren. Als Grund dafür wird ein im Gutachten zu niedrig angesetzter Gebäudewert angegeben.

Kläger fordern Erhöhung des Gebäudewerts

Die Kläger fordern, dass im Rahmen der Wertermittlung des Gebäudewerts im Ertragswertverfahren auch die Erhöhung des Gebäudewerts zu berücksichtigen sei. Und zwar indem die durch die getätigten Aufwendungen höheren erzielbaren Jahreserträge mit einbezogen werden müssten.

Das, so die Kläger, sei die logische Konsequenz, wenn der Gesetzgeber mit § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG und daraufhin die Finanzverwaltung als Exekutive pauschal davon ausgehen, dass Aufwendungen innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung in Höhe von 15 Prozent der Anschaffungskosten den Gebäudewert erhöhen (15-Prozent-Regel).

Bei der bisherigen Ermittlung des Gutachterausschusses seien pauschal ermittelte Instandsetzungsmaßnahmen und damit die Wertsteigerung aufgrund von vorgenommenen Renovierungsmaßnahmen berücksichtigt worden. Entsprechendes müsse dann auch für steigende Mieten gelten. Die Möglichkeit der Berücksichtigung steigender Mieten habe der Gesetzgeber mit der Bewertung nach § 17 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 18 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Immobilien und der für die Wertermittlung erforderlichen Daten – ImmoWertV – geschaffen.

Das Gericht hat eine öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige mit der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens zwecks Kaufpreisaufteilung zwischen Grundstück und Gebäude beauftragt.

Restnutzungsdauer von 45 Jahren

Im Rahmen der Klage fordern die Kläger zudem, dass statt der typisierten Nutzungsdauer von 50 Jahren (lineare Abschreibung) die von der vom Gericht beauftragten Gutachterin festgestellte kürzere Restnutzungsdauer von 45 Jahren für die Absetzung durch Abnutzung zugrunde gelegt wird. Daraus ergibt sich ein erhöhter AfA-Satz von 2,22 statt 2,0 Prozent pro Jahr.

Entscheidung des Finanzgerichts

Das Finanzgericht Düsseldorf hat entschieden (Urteil vom 16.08.2023, Az. 2 K 2449/18 E), dass die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für 2012 bis 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. August 2018 rechtswidrig sind und die Kläger in ihren Rechten verletzen. Das Finanzamt hat die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu hoch angesetzt, ohne den Kläger dazu im Vorfeld anzuhören. Grund dafür ist, dass Werbungskosten nicht korrekt als solche angesehen und somit nicht sofort von den Einkünften abgezogen wurden.

Zudem stellte das Gericht fest, dass das zuständige Finanzamt die Absetzung für Abnutzung zu niedrig angesetzt hat:

·       Jahr 2012 lediglich 3.491 Euro anstelle von 3.915 Euro (Differenz 424 Euro)

·       Jahr 2013 lediglich 6.982 Euro anstelle von 7.830 Euro (Differenz 848 Euro)

·       Jahr 2014 lediglich 7.098 Euro anstelle von 7.960 Euro (Differenz 862 Euro)

Bezüglich der Kaufpreisaufteilung gibt das Gericht an, dass der Kaufpreis sowohl zur Ermittlung der AfA als auch zur Ermittlung der 15-Prozent-Grenze in einen Grundstücks- und einen Gebäudewert aufgeteilt werden muss. Das Handelsgesetzbuch (HGB) regelt jedoch nicht, wie ein einheitlicher Kaufpreis auf die einzelnen Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist. Da kein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Handhabung ersichtlich ist, greift der Senat insofern auf die im Rahmen der Ermittlung der AfA-Bemessungsgrundlage ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Nutzungsdauer BFH) zur Kaufpreisaufteilung zurück.

Bei der Kaufpreisaufteilung ist der Senat den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen in ihrem schriftlichen Verkehrswertgutachten gefolgt. Die Sachverständige hat die objektiven Gegebenheiten vor Ort ermittelt, die Methode zur Ermittlung des Verkehrswertes der Immobilie im Sachwertverfahren zutreffend dargestellt und sodann auf den konkreten Streitfall angewandt. Das Gutachten ist strukturiert, nachvollziehbar und die Feststellungen der Sachverständigen jeweils überzeugend begründet.

Der sachverständig ermittelte Gebäudewertanteil (271.550 Euro) steht nach alledem zu dem ermittelten (marktangepassten) Verkehrswert von insgesamt 388.000 Euro in einem Verhältnis von 69,99 zu 30,01 Prozent.

Für die Streitjahre 2012 und 2013 beträgt die AfA-Bemessungsgrundlage jeweils 352.724 Euro (302.427 + 50.297 Euro) und für das Streitjahr 2014 insgesamt 358.544 Euro (302.427 + 50.297 + 5.820,29 Euro).

Der Senat folgte zudem „den überzeugenden Ausführungen der durch das Gericht beauftragten Sachverständigen“ und entschied, dass für die Abschreibung die tatsächlich kürzere Nutzungsdauer von 45 Jahren zu berücksichtigen ist. Hieraus ergibt sich ein jährlicher AfA-Satz in Höhe von 2,22 Prozent.

Gegen die Nichtzulassung der Revision legten die Kläger beim Bundesfinanzhof Beschwerde ein. Diese wurde mit Beschluss vom 18. Januar 2024 (Az. IX B 64/23) als unbegründet zurückgewiesen. Die vorliegende Divergenz sei nicht entscheidungserheblich.

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David Glasenapp

David ist gelernter Wirtschaftsingenieur und hat langjährige Erfahrung im Sachverständigenwesen. Er leitet u.a. auch unsere Mitgliedschaften im Immobilienverband Deutschland (IVD) sowie dem Deutschen Gutachter- und Sachverständigenverband (DGuSV)

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