Nachdem eine Frau von ihrem Lebensgefährten ein im Erbvertrag geregeltes, lebenslanges Nießbrauchsrecht an einem vermieteten Grundstück erhielt, ging diese zunächst von einer Restnutzungsdauer von sechs Jahren aus. Das Grundstück ist mit einem 1970 erbauten Bürogebäude mit Betriebswohnungen sowie mit Lagerhallen bebaut.
Das Finanzamt änderte den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2014 und setzte die Absetzung für Abnutzung (AfA) lediglich in Höhe des typisierten festen Satzes von zwei Prozent pro Jahr (50 Jahre Nutzungsdauer) an. Der Einspruch der Steuerpflichtigen wurde zurückgewiesen.
Klageerhebung nach Ablehnung des Einspruchs
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin weiterhin, AfA nach Maßgabe einer tatsächlich kürzeren – 50 Jahre unterschreitenden – Nutzungsdauer der Gebäude gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG abzuziehen.
Das Finanzgericht (FG) erhob hierzu Beweis und holte das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Wertermittlung von bebauten und unbebauten Grundstücken ein. Der Sachverständige ermittelte in seinem Gutachten vom 14. Juli 2020 nach Maßgabe der Immobilienwertermittlungsverordnung und des Punkterasters der Anlage 4 der Sachwertrichtlinie eine gewichtete tatsächliche Restnutzungsdauer von 19 Jahren.
Im Klageverfahren vor dem Finanzgericht machte die Klägerin neben der verkürzten Nutzungsdauer eine erhöhte Bemessungsgrundlage für die Abschreibung geltend. Mit dem Erwerb des hälftigen Miteigentums sei insoweit ihr Nießbrauchsrecht untergegangen. Der Wert dieses Rechtsverlusts sei Bestandteil ihrer Anschaffungskosten gewesen.
Das Finanzgericht folgte der Klägerin in beiden Punkten – bei der vom Sachverständigen bescheinigten Restnutzungsdauer von 19 Jahren sowie bei der Zurechnung des Nießbrauchs auf die Anschaffungskosten.
Das Finanzamt sah das Gutachten als nicht geeignet an, um eine kürzere Restnutzungsdauer nachzuweisen. Vor allem deshalb, weil sich daraus die maßgeblichen Determinanten nicht ableiten ließen. Die Addition des kapitalisierten Werts des Nießbrauchs auf die Anschaffungskosten sah die Behörde zudem als Verstoß gegen Bundesrecht an. Das Finanzamt beantragte beim Bundesfinanzhof (BFH) die Revision.
BFH folgt sachverständiger Schätzung der Restnutzungsdauer
Der BFH sah keinen Grund darin, die vom öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nachvollziehbar dargelegte Restnutzungsdauer von 19 Jahren revisionsrechtlich zu beanstanden.
Hinsichtlich der Zurechnung des kapitalisierten Werts des Nießbrauchsrechts zu den Anschaffungskosten stellte der BFH jedoch einen Verstoß gegen Bundesrecht fest. Die Revision ist in diesem Punkt begründet. Das Urteil wurde aufgehoben und zur Neuverhandlung an die Vorinstanz zurückverwiesen.