Urteil Finanzgericht Köln, 6 K 923/20 im Volltext
Tatbestand Die Kläger werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Eigentümer mehrerer Vermietungsobjekte. Er erwarb das streitgegenständliche Mehrfamilienhaus in der A-Straße … in B mit notariellem Vertrag vom ….2012 für Gesamt-Anschaffungskosten i.H.v. … €. Strittig ist nunmehr noch die Nutzungsdauer der Immobilie für Zwecke der Bemessung der Absetzung für Abnutzung (AfA). Der Beklagte veranlagte die Kläger mit Einkommensteuerbescheiden 2014 und 2015 vom 20.11.2017 und berechnete die AfA des streitgegenständlichen Gebäudes mit 2%. Gegen die Bescheide legten die Kläger mit Schreiben vom 21.12.2017 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 03.04.2020 zurückwies. Am 26.04.2020 haben die Kläger Klage erhoben. Bezüglich des zuletzt noch strittigen Punktes verweisen sie auf das von ihnen im Klageverfahren vorgelegte Gutachten, welches eine Restnutzungsdauer von 31 Jahren ausweist sowie das Urteil des BFH vom 28.07.2021, Az. IX R 25/19. Nach dem vom öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, Mieten und Pachten, Herr C, erstellten Gutachten ermittelte dieser auf Grundlage der Immobilienwertermittlungsverordnung – ImmoWertV – sowie des von der Arbeitsgemeinschaft der Vorsitzenden der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte in Nordrhein-Westfalen erstellen Schemas zur Bestimmung der Restnutzungsdauer bei modernisierten Gebäuden („Ableitung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer für Wohngebäude unter Berücksichtigung von Modernisierungen“ Anlage 4, Modell zur Ableitung von Sachwertfaktoren, Stand 21.06.21), die Restnutzungsdauer. Auf über 6 Seiten stelle der Sachverständige detailliert dar, welche Modernisierungsmaßnahmen stattgefunden hätten, wie z.B. der Einbau einer Wärmedämmung im Dach, der Austausch der Fenster, der Elektrounterverteilung, dem Austausch der alten Ölheizung gegen eine Gaszentralheizung etc. und bewertete jede einzelne Maßnahme nach einem Punkteschema. Daraus folgerte er einen Modernisierungsgrad, den er sachverständig als „kleine Modernisierungen im Rahmen der Instandhaltung“ einstufte. Aufgrund des Alters des Gebäudes zum Bewertungsstichtag von rund 55 Jahren und einer üblichen Gesamtnutzungsdauer für Gebäude dieser Art von in der Regel 80 Jahren sowie der vorgenommenen Modernisierungen stellte der Gutachter nach dem Modell zur Ableitung von Sachwertfaktoren eine modifizierte wirtschaftliche Restnutzungsdauer von 31 Jahren fest. Die Kläger beantragen nunmehr, die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015, jeweils zuletzt geändert am 19.03.2021, und die zugehörige Einspruchsentscheidung vom 03.04.2020 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Objekts „A-Straße …, … B“ die Abschreibung für Abnutzung auf Grundlage einer Aufteilung der Anschaffungskosten im Verhältnis von 43,96% auf den Grund und Boden und von 56,04% auf das Gebäude und einer tatsächlichen Nutzungsdauer von 31 Jahren erfolgt. Der Beklagte beantragt, eine Aufteilung der Anschaffungskosten im Verhältnis von 43,96% auf den Grund und Boden und von 56,04% auf das Gebäude und im Übrigen die Klage abzuweisen. Er meint, dass eine kürzere als die begehrte Restnutzungsdauer nicht im von den Klägern vorgelegten Gutachten festgestellt worden sei, da der Begriff der „wirtschaftlichen Restnutzungsdauer“ nicht mit dem Begriff der „tatsächlichen Nutzungsdauer“ in § 7 Abs. 4 S. 2 EStG gleichzusetzen sei. Die Bausachverständige des Beklagten, der das Gutachten vorgelegt worden ist, hat sich nicht zur Restnutzungsdauer geäußert. Im Übrigen hat der Beklagte keine Einwendungen gegen die vom Sachverständigen im Rahmen des angewandten Modells getroffenen Feststellungen erhoben. In einem vorbereitenden Erörterungstermin haben sich die Beteiligten auf eine Aufteilung der Anschaffungskosten im Verhältnis von 43,96% auf den Grund und Boden und von 56,04% auf das Gebäude verständigt. Der Beklagte hat eine dementsprechende Verpflichtungserklärung abgegeben. Die Beteiligten haben im Erörterungstermin am 16.03.2022 zu Protokoll gegeben, auf die mündliche Verhandlung zu verzichten. Entscheidungsgründe Die Entscheidung konnte gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung ergehen. Die Klage ist begründet. Die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 sind bezüglich der Berechnung der Abschreibung des streitgegenständlichen Gebäudes rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 – FGO). Hinsichtlich der Aufteilung der Anschaffungskosten im Verhältnis von 43,96% auf den Grund und Boden und von 56,04% auf das Gebäude haben die Beteiligten zuvor eine Verständigung getroffen. Die danach allein noch strittige tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes ist mit 31 Jahren anzunehmen. 1. Bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, ist jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (AfA in gleichen Jahresbeträgen, § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG); die Absetzung bemisst sich hierbei nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts (§ 7 Abs. 1 Satz 2 EStG). Abweichend hiervon bestimmt sich die AfA für ein zur Einkünfteerzielung genutztes Gebäude nach den festen Prozentsätzen des § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG; die Regelung stellt eine gesetzliche Typisierung der Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 1 Satz 2 EStG dar. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG können anstelle der Absetzungen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes entsprechenden AfA vorgenommen werden. Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist gemäß § 11c Abs. 1 EStDV der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann. Die zu schätzende Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können. Auszugehen ist von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, kann sich der Steuerpflichtige hierauf berufen. Ob der AfA eine die gesetzlich (§ 7 Abs. 4 Satz 1 EStG) vorgesehenen, typisierten Zeiträume unterschreitende verkürzte Nutzungsdauer i.S. des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zugrunde gelegt werden kann, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 04.03.2008 – IX R 16/07, BFH/NV 2008, 1310, m.w.N.). 2. Es ist Sache des Steuerpflichtigen, im Einzelfall eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer –im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten (vgl. BFH-Urteil vom 11.08.1993 – X R 82/90, BFH/NV 1994, 169)– darzulegen und gegebenenfalls –im Rahmen der ihm obliegenden Feststellungslast– nachzuweisen. Die Würdigung der insoweit von Klägern dargelegten Umstände obliegt dann im Klageverfahren dem FG als Tatsacheninstanz (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 28.10.2008 – IX R 16/08, BFH/NV 2009, 899, und in BFH/NV 2008, 1310, jeweils m.w.N.;